Ohne Schrift gäbe es keine Geschichte

In allen Kulturen waren Schreiber die Übermittler der Kultur – die ersten Historiker. Was die Schreiber für das alte Ägypten, waren für die chinesische Kultur die buddhistischen Schreiber und die europäischen Mönche des Mittelalters.

So ist es überliefert, dass ein Volk die Schrift eines anderen übernimmt. Die Römer übernahmen die Schrift der Etrusker, die Japaner die Zeichen der Chinesen. In unserer Zeit gaben die Türken (unter Atatürk) die arabische Schrift zugunsten der lateinischen auf.

In China haben die vor 2000 Jahren benutzte Sprache und Schrift in modifizierter Form überlebt. Die alten Sprachen in Mesopotamien: Sumerisch, Altakkadisch, Babylonisch und Assyrisch sind jedoch völlig verschwunden.

In der Zeit des 9. bis 3. Jahrhunderts v. Chr. wurde die Entwicklung unseres Alphabets von den Griechen bestimmt. In Verbindung mit der Konsonantenschrift wurden Zeichen für Vokale hinzugefügt. Es entstand die Griechische Capitalis, deren Großbuchstaben überwiegend in Stein gemeißelt wurde.

Jedoch waren es die Römer, die mit der Capitalis Monumentalis das Alphabet von solcher Vollendung geschaffen hatten, dass es Vorbild für alle folgenden Jahrhunderte wurde.

Lateinische Inschriften sind für die Forschung römischer Lebenswelt von unschätzbarem Wert. Sie gelten als Zeugnisse einer vergangenen Kultur, die das Bild Europas nachhaltig geprägt hat. Vom frühen Rom bis ins 6. Jahrhundert n. Chr. begleiten lateinische Inschriften die tausendjährige Geschichte Roms. Bekannt sind sie uns u. a. als gemeißelte Grabinschriften oder Graffito an den Häuserwänden Pompejis. Heute spricht niemand mehr lateinisch, außer bei religiösen oder zeremoniellen Anlässen – aber Millionen schreiben in lateinischer Schrift.

Zu den außereuropäischen Schriftkulturen gehören die kyrillische und die arabische Schrift, die zwar weit verbreitet, doch nicht so ausgereift sind wie unser Schriftsystem.

Vielfältig waren auch die Materialien, auf denen man schrieb. Bis zur Erfindung des Papiers schrieb man auf allen erdenklichen Materialien. Beliebt war Ton. Er war überall erhältlich, billig und haltbar.

Die Chinesen schrieben zuerst auf Holz, Bambus und Tierknochen, später auf Seide oder Papier, das aufgerollt wurde.

Die alten Ägypter entdeckten, dass sich aus dem Mark der Papyrusstaude ein hervorragendes Schreibmaterial herstellen ließ. Die Technik der Papyrusherstellung breitete sich im ganzen Mittelmeerraum aus. Später suchte man einen Ersatz und fand in ihm das aus ungegerbten Tierhäuten hergestellte Pergament.

Bis im Mittelalter das Papier nach Europa kam, war Pergament der beliebteste Beschreibstoff.

Die nächste bedeutende Entwicklung fand am Hofe Karls des Großen statt. Er erließ 789 ein Dekret, nach dem die runde Handschrift, die Karolingische Minuskel, benutzt werden sollte. Ein reformiertes Alphabet, geschaffen von dem englischen Mönch Alkuin von York, setzte sich als selbständige Schrift im gesamten Reich durch.

Die Druckkunst wurde vor über 1000 Jahren von den Chinesen erfunden. Der größte Meilenstein in der Entwicklung des Buchdrucks aber war die Erfindung der beweglichen Lettern, aus denen man Worte, Zeilen usw. zusammensetzte. Johann Gutenberg, Europas erster Buchdrucker, entwickelte für seine Lettern die Gotische Schrift (um 1445). Als Vorbild dienten ihm schöne Klosterhandschriften. Seither sind viele neue Schriftarten entwickelt worden.

Ende des 15. Jahrhunderts zogen sogenannte Schreibmeister durch das Land, um das „schöne Schreiben“ zu lehren. Bis hinein in das 18. Jahrhundert dienten gedruckte Schreibmeisterbücher als Vorlage.

Seit der Digitalisierung der Druckschrift und der Textgestaltung am Computer besinnt man sich auch wieder auf alte Traditionen. Die Kunst der modernen Kalligraphie hat ihre Bedeutung nicht verloren. Sie lässt viel Raum zum Gestalten und Spielen mit Buchstaben und Wörtern und bietet vielfältige Möglichkeiten.

Ein schön gestaltetes, handgeschriebenes Werk ist etwas Beständiges, Bleibendes und wird das maschinelle Schreiben überdauern.

Zitat: „Kalligraphen staunen, beobachten, sind neugierig, begeisterungsfähig, tolerant – sie schauen hinter die Dinge, entdecken und forschen weiter, voller Spannung reizt sie immer aufs Neue das leere Blatt….“